Anders als geplant
Dass es beim Klettern auch ganz anders kommen kann als geplant, zeigt die Tour auf den Mongejura im Romsdalen.

Mongejura

27.08.2019 - Bereits in Flatanger berichten Richard und Bernhard von einer Tour im Romsdalen, die zu den anspruchsvolleren Highlights in Norwegen zählt. Mit einer Bewertung von N6 ist die Schwierigkeit der Sydpillaren (N6, 24 SL) am Mongejura zwar nicht so hoch, aber die Kletterlänge von 1135m hat es in sich. Auch die Routenfindung soll sehr anspruchsvoll sein und schon einige Kletterer zu einem ungeplanten Biwak gezwungen haben. Barbara fühlt sich nach den Strapazen der vergangenen Wochen bereits zu ausgelaugt für diese Tour. Daher frage ich Richard und Bernhard, ob sie mich mitnehmen würden. Sie stimmen zu und in gewisser Weise bin ich etwas erleichtert, da ich dieses Mal nicht die Verantwortung und Führung der Seilschaft übernehmen muss. Am Vorabend feilschen wir noch um das benötigte Material und packen unsere Rucksäcke.

Als Barbara und ich um 05:00 Uhr in der Früh vor dem Bus der anderen stehen, kommt alles anders. Richard hat in der Nacht sehr schlecht geschlafen und fühlt sich nicht fit genug für die Tour. Nach längerem Überlegen beschließen Bernhard und ich zu zweit aufzubrechen. Nach ca. 1 Stunde Zustieg durch dichten Wald erreichen wir den Einstieg. Die ersten Längen sind relativ einfach und von vielen Gehpassagen geprägt. Die sechste Länge startet mit einer Querung unter einem massiven Überhang, gefolgt von einer überhängenden Verschneidung. Ab dieser Länge wird es wesentlich steiler und die Kletterei schwieriger. Man folgt unzähligen Rissen und Verschneidungen und findet auch immer wieder hinterlassenes Material. Die Standplätze sind meist sehr gut und die befürchtete schwere Routenfindung bleibt uns zum Glück erspart. Lediglich die letzten zwei Längen sind etwas unübersichtlich. Nach einer Begehungszeit von ca. 11 1/2 Stunden steigen wir aus der Wand und stehen auf dem breiten Grasband unterhalb des Gipfels. Zwischendurch erhalten wir von Barbara und Richard ein Foto mit einer Nachricht. Sie haben es sich am Parkplatz in bequemen Sesseln mit Bier und Knabbereien gemütlich gemacht und versuchen uns mithilfe von Ferngläsern in der Wand zu beobachten.

Bernhard und ich beschließen vom Grasband direkt zum Mongevatn See abzusteigen und von dort dem Weg ins Tal zu folgen. Als wir den See erreichen, machen wir kurz Pause und versuchen danach den markierten Weg zu finden. Leider stellt sich dies um einiges schwieriger heraus als gedacht. Wir folgen vielen ausgetretenen Pfaden, aber diese enden entweder vor Felsabbrüchen oder mitten in den großen Latschenfeldern des Plateaus. Wir versuchen auf digitalen Karten den Weg durch die Bergflanke anhand der Steilheit des Geländes auszumachen. Ohne Erfolg. Auch Barbara und Richard versuchen fieberhaft zusätzliche Informationen zum Abstieg im Internet zu finden. Als es nach 2 Stunden intensiver Suche zu dämmern beginnt und wir uns schon auf ein Biwak in der Schutzhütte neben dem See einstellen, schickt uns Richard einen GPS-Track. Dieser verläuft, zu unserer Überraschung, durch den steilsten Bereich der Bergflanke. Wir folgen dem Track und finden endlich die ersehnten Wegmarkierungen. Der Weg ins Tal ist sehr steil, rutschig und trotz der Markierungen oft schwer zu finden. Nach insgesamt ca. 18 Stunden erreichen wir die Straße im Tal, wo uns Barbara und Richard erleichtert begrüßen. Sie sorgen dafür, dass wir eine (dringend notwendige) Dusche und etwas zu essen bekommen, bevor wir erschöpft ins Bett fallen.

Standplatz: N 62.3248, E 8.0782

Erkenntnisse

  • Aus einer Dreierseilschaft kann schnell eine Zweierseilschaft werden.
  • Die Schwierigkeit der Routenfindung wird von jedem Kletterer anders empfunden.
  • Oftmals ist der Abstieg der schwierigste Teil einer Tour.
Verfasst von Sigi