Den höchsten Gipfel als Geburtstagsgeschenk
Zum Geburtstag bekommt Barbara von Sigi eine Tour auf den Gipfel des Großglockners geschenkt. Bei strahlendem Sonnenschein geht es den tief verschneiten Stüdlgrat hinauf.

Großglockner

01.06.2020-02.06.2020 - Genau an meinem Geburtstag soll es stark regnen und das Wetter danach unbeständig bleiben. Sigi beschließt also, das Wetterfenster von 01. bis 03. Juni zu nutzen, um mich mit seinem Geschenk zu überraschen. Mir wird nur gesagt, dass ich meine alpine Ausrüstung inklusive Steigeisen, Eisgerät und Schneeschuhe brauche. Außerdem soll ich mein Wissen über Spaltenbergung auffrischen.

Kurz vor der Abfahrt erzählt mir Sigi dann doch, dass wir gemeinsam mit Caro den Großglockners (3798 m) angehen. Eine Begehung des Großglockners steht bereits seit Längerem auf meiner persönlichen Wunschliste, aber Sigi und ich konnten uns nie über eine Tour einigen. Einerseits sind die leichteren Touren auf den Gipfel sehr überlaufen sobald die Saison beginnt. Andererseits möchte ich die erste Tour auf den Großglockner als Genuss in Erinnerung behalten. Mir zuliebe, entscheidet sich Sigi den Stüdlgrat (III+, 500 m) mit Caro und mir zu klettern.

Zustieg

Ausgerüstet mit einer aktuellen Topo und GPS-Tracks von zwei möglichen Abstiegsvarianten steigen wir vom Parkplatz beim Lucknerhauszur Stüdlhütte auf. Bis zur Lucknerhütte ist es eine angenehme Wanderung. Kurz danach müssen wir die Schneeschuhe anschnallen. Der Schnee ist fest und wir kommen gut voran. Zudem klart es auf, wir können uns gut orientieren, die Aussicht genießen und die Murmeltiere beobachten.

Die Nacht verbringen wir im Winterraum der Stüdlhütte. Dabei handelt es sich um eine kleine Hütte mit mehreren Räumen. Im Hauptraum stehen zwei große Tische vor den Sitzbänken an den Wänden. Den kleinen Holzofen heizen wir ein und fangen an darauf Schnee in den vorhandenen Töpfen zu schmelzen. Im Laufe des Abends kommen noch zwei weitere Seilschaften auf die Hütte, welche die Mayerlrampe für den nächsten Tag geplant haben. Kurz nach 22:00 Uhr gehen alle ins Bett und versuchen zumindest ein paar Stunden zu schlafen. Während der Nacht werden wir immer wieder vom starken Wind geweckt, welcher sogar einmal die Türen aufbläst.

Parkplatz beim Lucknerhaus: N 47.021740, E 12.689184

Stüdlhütte: N 47.054790, E 12.681127; DAV Stüdlhütte

Stüdlgrat

Während die anderen Seilschaften um ca. 03:00 Uhr bei leichtem Schneefall und Nebel aufbrechen, dürfen wir noch bis 06:00 Uhr liegen bleiben. Als wir um 06:45 Uhr aufbrechen, haben wir ausgezeichnete Sicht bei strahlend blauem Himmel und beinahe Windstille. Der Schnee ist fest und ideal zum Gehen. Entsprechend schnell können wir den Gletscher queren. Am Beginn des Grats tauschen wir die Schneeschuhe gegen die Steigeisen und schon geht es los.

Sigi steigt tief verschneiten Grat vor. Die meisten Seillängen gehen wir am laufenden Seil mit mindestens einer eingehängten Zwischensicherung. Relativ schnell laufen wir auf die Seilschaften auf, welche wir am Vorabend kennengelernt haben. Da in der Mayerlrampe zu viel Schnee liegt, haben sie sich entschlossen umzukehren und stattdessen den Stüdlgrat zu gehen. An einer exponierten Stelle kurz vor einem Stand drängt sich ein Bergführer mit seinem Gast an uns und einer der Seilschaften vorbei. Diese Seilschaft bietet uns an, dass auch wir überholen dürfen. Wir warten aber noch etwas bis zu einer besseren Stelle in einer leichteren Seillänge, um niemanden nervös zu machen. Leider passiert mir nach dem Überholen trotzdem ein Fehler. Ich bin schon vorbei an der Seilschaft und lache gerade über etwas, als ich plötzlich mit der Hand vom vereisten Fels abrutsche und dadurch das Gleichgewicht verliere. Sigi fängt meinen Sturz ab, trotzdem pendle ich ein paar Meter hinunter zwischen die Felsen. Durch die Steigeisen verklemmt sich mein linker Fuß zwischen den Felsen, aber ich kann mich selbstständig wieder befreien. Zum Glück habe ich mein Eisgerät nicht verloren. So kann ich schnell wieder zurück in die Route klettern. Bis auf eine Abschürfung und blaue Flecken bleibe ich unverletzt. Wir können unsere Tour ohne Unterbrechung fortsetzen. Sigi kann die gesamte Tour inklusive der schwierigsten Stellen frei klettern. Caro und ich nutzen an manchen Stellen die Stahlanker und Drahtseile.

Die letzten Seillängen bis zum Gipfel sind mühsamer als erwartet. Es ist heiß und wir kommen nur langsam voran, weil wir immer wieder warten müssen, dass die Seilschaften vor uns weiterklettern. Schlussendlich kommen alle Seilschaften gesund und munter oben am Gipfel an.

An diesem Tag sind nur ein paar Leute oben. Wir genießen das schöne Wetter und die fantastische Aussicht vom Gipfel des Großglockners. Wir scherzen zusammen und machen Fotos.

Wir würden gerne noch länger auf dem Gipfel verweilen, aber ein langer Abstieg liegt noch vor uns. Eine Seilschaft nach der anderen beginnt mit dem Abstieg über den Normalweg. Während die Skifahrer weiter unten ihre Tourenski anschnallen und zurück ins Tal fahren, müssen wir noch stundenlang durch den schweren, nassen Schnee stapfen. Müde, aber glücklich kommen wir beim Auto an.

Die Tour auf den Gipfel des Großglockners ist definitiv eines der besten Geschenke, das ich jemals erhalten habe.

Erkenntnisse

  • Konzentration ist essenziell, aber eine gute Seilschaft ist genauso wichtig.
  • Egal wie gut man sich vorab über die aktuelle Lage informiert hat, manchmal müssen Pläne aufgrund der Bedingungen vor Ort angepasst werden.
  • Sonnenschutz ist auf dem Gletscher wirklich wichtig und auch der Lippenpflegestift sollte einen entsprechenden SPF aufweisen.
Verfasst von Barbara