'Jeder Extreme träumt von ihr'
Diesen Kommentar zur gewählten Tour auf den Torre Trieste liest Sigi im Kletterführer zum Glück erst nach der erfolgreichen Begehung.

Auf der Carlesso zum Gipfel des Torre Trieste

12.09.2019 - Für die kommenden Tage wird in den Dolomiten sehr stabiles und schönes Wetter vorhergesagt. Dies bietet uns die Gelegenheit, einen Klassiker zu klettern, den Caro schon länger auf ihrer Wunschliste hat. Die Tour Carlesso (VIII- oder VI/A2, 26 SL) verläuft durch die beeindruckende Südwand des Torre Trieste und garantiert mit einer Kletterlänge von 875 m einen langen Tag. Als wir am Vorabend beim Ausgangspunkt der Tour ankommen, können wir den Dolomitengipfel noch im Licht der untergehenden Sonne bestaunen. Wir packen unsere Rucksäcke und entschließen uns nach langem Überlegen auch einen Hammer und einige Normalhaken mitzunehmen.

Am nächsten Morgen brechen wir um 05:00 Uhr im Schein der Stirnlampen auf und stehen zwei Stunden später am Einstieg. An diesem Tag präsentiert sich der Dolomitenfels von seiner anderen Seite. Der untere Teil der Wand ist zum Teil extrem brüchig und schwer abzusichern. Auch die Schwierigkeit der Kletterei und die Routenfindung sind nicht zu unterschätzen. Vermutlich im unübersichtlichen Gelände der sechsten Seillänge kommen wir von der Originalführe ab und klettern bis zum ersten Band orthografisch zu weit links. Durch diese Variante und die daraus resultierende Verwirrung über den weiteren Routenverlauf ab dem Band verlieren wir viel Zeit. Trotz der anhaltenden Schwierigkeit der Seillängen können wir das Klettertempo erhöhen und kommen schneller voran. Bald erreichen wir die berühmt-berüchtigte Carlesso-Platte. Den Versuch, die Platte frei zu klettern breche ich ab, als ich an dem fragwürdigen Wirrwarr aus alten Seilen und Drähten ankomme, an dem ein alter Normalhaken baumelt. Diese Aufstiegshilfe würde einen Sturz wahrscheinlich nicht tragen und ohne diese hätten wir Probleme die Schlüsselstelle zu überwinden. Auch im oberen Wandteil kommen wir gut voran und wählen aufgrund des festeren Felsens den direkten Ausstieg. Nach einer Begehungszeit von ca. 11 Stunden erreichen wir den Gipfel und beginnen sofort mit dem anspruchsvollen Abstieg.

Die Wegfindung durch das steile Abstiegsgelände in Kombination mit unzähligen Malen Abseilen hat es in sich. Der Abstieg hat anscheinend schon viele Seilschaften zu einem Notbiwak gezwungen, denn wir finden immer wieder dafür eingerichtete Plätze. Bis zuletzt sind wir voller Zuversicht die Abseilstellen noch im Tageslicht hinter uns zu bringen. Doch leider verklemmt sich beim vorvorletzten Abseilstand das Seil und ich muss einen erheblichen Teil der Rinne nach oben klettern, um das Seil befreien zu können. Zum Glück finden wir die verbleibenden Abseilstände auch im Schein der Stirnlampen und können weiter ins Tal absteigen. Nach insgesamt ca. 17 1/2 Stunden erreichen wir erschöpft aber glücklich den Parkplatz. Nach dieser Tour kenne ich auch den wilden und ungezähmten Charakter der Dolomiten, der einem Kletterer physisch und psychisch alles abverlangt.

Standplatz: N 46.343153, E 12.031358

Erkenntnisse

  • Diese Dolomitentour ist nichts für schwache Nerven. Sie bietet brüchigen Fels, schlechte Absicherung, schwierige Routenfindung und anspruchsvolle Kletterei.
  • Hammer und Normalhaken werden wir in Zukunft nur in den Rucksack packen, wenn dies explizit gefordert wird.
Verfasst von Sigi