Gut gemeint, aber furchtbar
An manchen Tagen sollte man einfach im Liegestuhl die Sonne genießen, anstatt eine leichte Genusstour zu gehen.

Kreditkarte nicht vergessen

12.08.2019 - Statt dem täglichen Waschen mit einem Waschhandschuh, gönnen wir uns heute wieder einmal eine Dusche. Dafür fahren wir extra an den Strand bei Kalle. Dort sind öffentliche Duschen und Toiletten gegen eine kleine Gebühr nutzbar. Allerdings muss alles mit einer Kredit- oder Bankomatkarte bezahlt werden. Bisher konnten wir in Norwegen und Schweden alles mit der Kreditkarte bezahlen und haben noch kein Bargeld benötigt.

Ein sonniger NICHT-Genusstag

13.08.2019 - Sigi möchte unbedingt etwas unternehmen und nicht noch einen Pausetag bei strahlendem Sonnenschein einlegen. Die Haut auf meinen Fingern ist noch nicht ganz wiederhergestellt, deshalb bietet er an den Nordgrat des Vågakallen, den sogenannten Nordryggen (N4+, UK: S 4a, 12 SL, Top 50), mit mir zu gehen. Dies sollte nach den letzten Touren eine reine Genusstour, beinahe ein Spaziergang, bei herrlichem Wetter sein.

Auf dem Weg zum Einstiegspunkt verlaufen wir uns. Wir biegen auf dem Djupfjorden-Weg etwas zu spät ab und gehen dadurch auf den falschen Berghang hinauf. Dieser ist stark bewachsen und das dichte Unterholz ist fast undurchdringlich. Durch einen Bachlauf versuchen wir den Abstieg zum richtigen Weg. Dabei rutscht Sigi auf einer glitschigen mit Moos und Gras überwachsenen Steinrinne aus. Er bricht sich die Spitze seines teuren Walking-Stockes ab und schürft sich den Unterarm auf. Ein kurzer Wutschrei und weiter geht es: Aufgeben gibt es nicht. Statt der geschätzten 1 Stunde brauchen wir volle 4 Stunden bis zum Einstiegspunkt der Tour.

Bereit zum Einstieg, will Sigi noch schnell das Tracking auf seiner Uhr starten. Dabei fällt sie ihm aus dem Rucksack und kullert über einen steilen Abhang mit anschließendem Felsabbruch hinunter. Sigi klettert fast hinterher. Ich kann ihn gerade noch davon überzeugen, dass er sich mit dem Seil sichern lässt, da der Abhang so steil, brüchig und rutschig ist. Während Sigi sucht kommt eine Gruppe von Kletterern immer näher. Ein paar Meter unter mir, auf der anderen Seite des Grats, stoppen sie und bereiten sich auf die Tour vor. Sigi findet seine Uhr nicht mehr. Wir beschließen uns zu beeilen und vor der Gruppe in die Tour einzusteigen. Sigi ist richtig sauer und klettert einfach in den Zustiegsschuhen los. Während Sigi die erste Seillänge (SL) klettert, wird es beim Einstieg richtig eng mit so vielen Leuten. Ich ziehe mir meine Kletterschuhe zwar an, aber diese nach der ersten SL gleich wieder aus, da so viele mit Gras bewachsene Stellen zu überwinden sind. Erst in der 5. SL ziehe ich diese auf Anraten von Sigi wieder an, weil der zu überwindende Kamin ziemlich feucht und damit auch ziemlich rutschig ist. Bis auf den Kamin ist das Gelände oft brüchig und unübersichtlich. Die Routenfindung gestaltet sich schwieriger als gedacht mit der mangelhaften Routenbeschreibung. Den krönenden Abschluss dieser (für uns) NICHT-Genusstour bildet die N2-SL mit dem Sprung über eine tiefe Spalte. Bei diesem Sprung handelt es sich um keinen kleinen Hopser, sondern um einen echten Sprung. Dieser muss mit Anlauf ausgeführt werden und man landet auf einer Platte, welche schräg nach unten in die Spalte geneigt ist. Eine Absicherung ist zwar möglich aber bei einem Sturz würde man sehr wahrscheinlich nicht verletzungsfrei davonkommen. (Empfehlung: Bildsuche nach Vågakallen Nordryggen)

Die Aussicht vom Gipfel ist grandios. Die Frage ist nur, ob sich dafür diese Tour lohnt.

Vom Gipfel führt ein Wanderweg nach unten. Dieser würde in Österreich als schwer bis sehr schwer eingestuft. Es gibt Kletterpassagen und eine Platte. Die Platte ist ca. 8 Meter lang, fällt zur Seite steil ab und stürzt nach 3 bis 4 Metern abrupt in die Tiefe. Beim Überqueren sollte man also nicht stolpern. Bei Regen und Nässe dürfte diese Stelle ziemlich unpassierbar werden, da man sich nicht wirklich festhalten kann und Zwischensicherungen auch schwer platzierbar wären. In Österreich wäre hier ein fixes Stahlseil gespannt. Die NorwegerInnen meinen es anscheinend ziemlich ernst mit dem clean und wollen die Natur nicht permanent durch Seile, Leitern etc. verändern oder sie sind einfach etwas härter. Uns begegnen sogar ein paar junge NorwegerInnen in Turnschuhen und kurzer Kleidung, welche uns gut gelaunt auf ihrem Weg nach oben grüßen.

Wir fahren zu einem Standplatz bei der Brücke nach Henningsvær. Ein netter norwegischer Camper lässt uns vorbei auf den kleinen Weg zu einem Standplatz direkt am Meer. Wir können den Tag mit der Aussicht auf einen spektakulären Sonnenuntergang abschließen.

Standplatz: N 68.168097, E 14.224332

Netter Besuch

14.08.2019 - Es regnet. Wir stehen auf dem Standplatz bei der Brücke nach Henningsvær und genießen die Aussicht. Noch vor dem Frühstück gehen wir (leider erfolglos) Angeln. Nach dem Frühstück fangen wir motiviert mit der Bearbeitung der E-Mails, Überweisungen, Blogeinträgen etc. an, bis wir unerwarteten Besuch bekommen. Marius, der nette norwegische Camper und Kletterer, welchen wir am Vorabend mit seiner Kletterpartnerin Karen auf dem Parkplatz kennengelernt haben, kommt vorbei. Wir laden ihn auf eine Tasse Tee ein und tratschen mit ihm über Klettergebiete und –Touren, diverse Klettererfahrungen und andere Hobbies. Er hat auch eine lustige Anekdote zu dem Sprung in der Nordryggen und wie er andere Kletterer beobachtete, welche versuchten die Stelle irgendwie abzusichern. Gegen Abend überraschen uns Richard und Bernhard, sehr nette Bekannte aus Bayern, mit einem Besuch. Richard hat die letzten zwei Jahre in Norwegen gelebt und gearbeitet. Er und Marius kennen sich hier gut aus und können Klettergebiete und -Touren empfehlen, welche nicht unbedingt in den Kletterführern so zu finden sind.

An diesem Tag schaffen wir es wieder nicht Einträge für den Blog zu erstellen und kommen erst nach 20:00 Uhr zum Abendessen: Ein ganz normaler Tag in Norwegen.

Erkenntnisse

  • In Norwegen kann man so gut wie überall mit der Kreditkarte zahlen. Sogar auf den neuen öffentlichen Toiletten.
  • Wo in Österreich ein Fixseil oder eine Leiter wäre, gibt es in Norwegen nichts außer Eigenverantwortung.
  • Die besten Pläne und Absichten scheitern gelegentlich an nettem Besuch.
Verfasst von Barbara