Super Touren, aber nichts für schwache Nerven
Zwei lange Touren verlangen uns einiges an Kraft ab. Die eine ist wunderschön und abwechslungsreich, aber sehr lang. Die andere ist anspruchsvoll, lang und vor allem riskanter als erwartet.

Ein Muss: die Vestpillaren Direct

07.08.2019 - Wir stehen (für norwegische Verhältnisse) früh auf, um möglichst früh am Einstieg der bekannten und beliebten Tour Vestpillaren Direct (N6, UK: E2 5b, 12 SL, Top 50) auf dem Presten zu klettern. Schlussendlich stehen wir um 10:00 Uhr beim Einstieg. Wir sehen zwei Seilschaften in der Tour. Also warten wir ca. 1 Stunde bevor wir in die Tour einsteigen, um auf keine von ihnen aufzulaufen. Na ja, so haben wir wenigstens länger Zeit zum Dehnen und Aufwärmen.

Die Vestpillaren Direct hat 12 Seillängen mit abwechslungsreicher, aber anspruchsvoller Kletterei. Bei passendem Material lassen sich einige Sicherungen setzen, ABER dies kann relativ anstrengend werden. Einige der Risse sind nicht ohne und ziemlich steil bis leicht überhängend. Da muss man sich erst einmal trauen, mit einer Hand für längere Zeit loszulassen.

Vestpillaren Direct

Unterschiedlichste Risse in der Vestpillaren Direct

In der vorletzten Seillänge schmerzen die Füße von den Kletterschuhen bereits so sehr, dass wir uns entschließen die letzte N3-Seillänge aufgrund ihrer Beschaffenheit mit vielen Grasflächen in den Zustiegschuhen zu klettern.

Der Abstieg vom Berg ist lang und steil. Außerdem nehmen wir einmal den falschen Weg. Allerdings führt dies dazu, dass wir viele Heidelbeeren finden. Da wir uns einen neuen Standplatz etwas entfernt von den Klettergebieten, nahe an einem Strand suchen, gibt es an diesem Tag erst nach 22:00 Uhr ein Abendessen.

Standplatz: N 68.1874, E 14.3389

Bröselig braucht Mut oder no grip is no fun

09.08.2019 - Der Wecker läutet um 07:00 Uhr, damit wir früh in Richtung Pillaren (Point 713 m) losgehen. Sigi hat sich die Tour Goodbye High School (N7-, 9 SL, 3 Sterne, Herzflattersymbol) ausgesucht. Diese Tour hat 9 Seillängen und muss über 2 Seillängen der Tour Hostgull (N7-) und 4 Seillängen der Tour Celebration (N6-) beendet werden. Ich bin mehr als nervös. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb ziehe ich mir heute meine bequemen Kletterschuhe an.

Die ersten Seillängen sind leicht, aber etwas schmutzig. Trotzdem kommen wir gut voran. Der Überhang in der ersten N6+-Länge wird zu einem ganz besonderen Erlebnis. Sigi steigt diesen ziemlich locker hoch. Auch ich klettere zuversichtlich hinein, schwinge mich hoch und bin fast drüber …

… und bleibe mit dem Rucksack am Felsen hinter mir hängen. Mit viel Ziehen und Drücken kann ich befreit werden.

Nach und nach fällt uns auf, dass die Felsqualität nicht so gut ist wie auf dem Presten. Die Oberfläche fühlt sich sandig an. Wir müssen aufpassen, wenn wir den Fuß hinsetzen und belasten. In den Seillängen über Platten, insbesondere bei der N5+-Platte, wird dies fast zu einem Problem. Ich säubere jeden Tritt mit dem Kletterschuh, wische mir den Kletterschuh an der Hose ab und benutze dann erst den Tritt. Sigi steigt besonders vorsichtig. Die letzte Zwischensicherung ist ein paar Mal weit über 10 Meter unter ihm. Ich kämpfe eher mit den Quergängen. Rutsche ich aus, dann falle und pendle ich ziemlich weit. Das würde wehtun. Jetzt bloß nicht auch noch ins Schwitzen kommen. Wir schaffen alle Platten.

Die letzten Seillängen der Touren Hostgull und Celebration kommen uns schwerer vor als angegeben. Außerdem sind es auch mehr Längen als angegeben.

Die Abseilstände sind, sagen wir mal: spannend. Z. B. Bandschlingen über einen kleinen Felsblock (sollte nicht falsch belastet werden). Beim Abstieg bleibt das Seil nur einmal hängen in einem Spalt, in welchem Sigi Reste von einem anderen abgeschnittenen Seil findet.

Nach über 13 Stunden kommen wir müde, aber heilfroh und glücklich wieder bei unserem Elmo an.

Standplatz: N 68.187444, E 14.224500

Erkenntnisse

  • Lange Touren sollte man nicht in den besten, sondern den bequemen Kletterschuhen gehen.
  • Bei den beliebten Klettertouren steht man entweder bei Sonnenaufgang am Einstieg oder kann in Ruhe das Frühstück genießen, weil man sowieso warten muss.
  • Eine gute Bewertung sagt nicht wirklich etwas über die Felsqualität aus. Häufig begangene Touren sind zu bevorzugen.
  • Fluchen ist besser als nervös werden. Barbara klettert besser und konzentrierter, wenn sie weiß, dass sie nicht fallen sollte/darf.
  • „No Camping“-Schilder werden hier von den meisten ignoriert. Vor allem die Norweger schlagen ihre Zelte gerne an den Stränden und Seen auf, egal welche Schilder da stehen.
Verfasst von Barbara